2.3 Beziehungen *

Kapitelübersicht:

a) Beziehungen auf Augenhöhe
b) Beziehungen mit Machtgefälle


Da die meisten Protagonisten im film noir Männer sind, werden überwiegend Beziehungen zwischen Männern untereinander und zwischen Männern und Frauen dargestellt. Das impliziert, dass überwiegend heterosexuelle Beziehungen gezeigt werden und homosexuelle Beziehungen eher nur zwischen Männern angedeutet werden.

Die Beziehungen finden teils auf gleicher Höhe statt, teils mit einem Machtgefälle (z.B. hat einer mehr Geld, ist der eine dem anderen mehr verfallen, etc.).


a) Beziehungen auf Augenhöhe

  • Vertraute
    Diese Beziehungen können sowohl auf gleicher Hierarchieebene stattfinden (wie z.B. die Schwestern in „Dark Mirror“, 1946) oder auf ungleicher Hierarchieebene, nämlich dann, wenn es sich um Angestellte handelt, die das volle Vertrauen der weiblichen Figur haben (z.B. Mildred und ihre Mitarbeiterin in „Mildred Pierce“, 1945, Gilda und die ältere Bedienstete in „Gilda“, 1946).
  • Rivalen
    Rivalen sind meist Personen gleichen Geschlechts: Männer konkurrieren mit Männern bspw. in ihrem Beruf (z.B. Madvig und Niko als rivalisierende Zeitungstycoons in „The Glass Key“, 1942), während Frauen eher Rivalinnen im Kampf um einen Mann sind (z.B. Barbara Stanwyck und Lizabeth Scott in „The Strange Love Of Martha Ivers“, 1947).
  • Liebende
    Beziehungen, die auf Erotik basieren, aber auch einen Gutteil an freundschaftlichen Werten wie Verständnis, Gesprächsmöglichkeit enthalten, sind hier als Liebe bezeichnet. Häufig versucht in heterosexuellen Liebesbeziehungen (oder in Liebesbeziehungen in spe) ein Partner den anderen zu retten (z.B. „Stranger On The Third Floor“, 1940, „Cat People“, 1942).
    Erotische Beziehungen zwischen Männern werden angedeutet und offiziell als enge Männerfreundschaft inszeniert (z.B. „Gilda“, 1946, „Desert Fury“, 1947). Manchmal wird erst nach dem Tod des einen die Beziehung bzw. die tiefen Gefühle des anderen deutlich (z.B. „Kiss Me Deadly“, 1955,  Garagenbesitzer wird ermordet, sein Mitarbeiter hält weinend seine Hand, oder „The Big Combo“, 1955: einer der Ganoven stirbt, der andere weint um ihn).
    Erotische Beziehungen zwischen Frauen werden am seltensten dargestellt (z.B. ein Neo Noir, der darauf basiert: „Bound“, 1996).


b) Beziehungen mit Machtgefälle

  • Chef-Untergebener
    Da eher Männer hohe berufliche Positionen innehaben, sind diese auch eher in der Position des Chefs (z.B. „The Glass Key“, 1942, „Gilda“, 1946, „The Big Clock“, 1948).
    Frauen dürfen eher über Hausangestellte bestimmen (z.B. „Laura“, 1944, „Gilda“, 1946, Ausnahme: „Mildred Pierce“, 1945, „Desert Fury“, 1947).
  • Eltern-Kind
    Mutter-Tochter-Beziehungen bilden öfter die Handlungsgrundlage eines Films, wenn die Mutter durch wirtschaftliche Selbständigkeit mächtig ist und die Tochter dagegen rebelliert (z.B. „Mildred Pierce“, 1945, „Desert Fury“, 1947, Stieftochter-Stiefmutterbeziehung in „Angel Face“, 1952).
    Mutter-Sohn-Beziehung gibt es ebenfalls in allen Varianten: ob als dominante Mutter („Notorious“, 1946), als starke Frau, die für ihre Kinder alles gibt („Pursued“, 1947) oder als schwache Frau, die einem Mann den Vorzug vor ihren Kindern gibt („Night Of The Hunter“, 1955).
    Vater-Sohn-Beziehungen kommen auch vor, oftmals gerne als Ersatzbeziehung, nämlich in Filmen, wo ein jüngerer Mann von einem älteren unter die Fittiche genommen wird (z.B. „Gilda“). Vater-Sohn-Beziehungen spielen in den analysierten Filmen eher eine untergeordnete Rolle (Ausnahme: „The Glass Key“, 1942, wo der Vater den spielsüchtigen, hoch verschuldeten Sohn in einem Streit erschlägt und sich erst stellt, als seine Tochter verhaftet werden soll).
  • Geschwister
    Bruder-Schwester-Beziehungen sind äußerst macht- und genderkonnotiert: So ist der Bruder oft der wirtschaftlich erfolgreiche und ältere Beschützer der Schwester, die er – da sie eine Frau ist – vor anderen Männern schützen muss, oft gegen ihren Willen. In solchen Fällen ist er Stellvertreter des mächtigen Vaters oder Ehemanns (vgl. „The Glass Key“, 1942, „The Sweet Smell Of Success“, 1957).
    Es gibt aber auch freundschaftliche bis hin zu innigen Beziehungen zwischen Bruder und Schwester (z.B. in „Secret Beyond The Door“, 1947, wo allerdings auch der Bruder das Vermögen seiner Schwester verwaltet). Oft wohnt die (unverheiratete) Schwester  im Haus des wirtschaftlich besser gestellten Bruders oder der Schwester (z.B. ebenfalls in „Secret Beyond The Door“, 1947, oder „Leave Her To Heaven“, 1945).
  • Erotisch
    Erotische Beziehungen basieren auf sexueller Anziehungskraft, sie sind überwiegend durch ein Ungleichgewicht zwischen den Figuren gekennzeichnet: Eine Figur (oft der Mann) hat mehr Geld oder einen höheren gesellschaftlichen Status, während die andere Figur eine größere sexuelle Attraktivität hat (meist die Frau) (z.B. zwischen Mann und Frau, aber auch zwischen Mann und Mann in „Gilda“, 1946).
  • Täter-Opfer
    Ebenso gibt es auch zwischen Täter(n) und Opfer ein Machtgefälle, das sich meist auf der Überlegenheit durch Waffen, Personenzahl oder Wissen gründet (z.B. das Zusammenschlagen und Gefangenhalten von Beaumont in „The Glass Key“, 1942, das langsame Vergiften der Ehefrau durch Ehemann und Mutter in „Notorious“, 1946)

nächstes Kapitel: INSZENIERUNG

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>