3.6 Alkohol

Indem die Figuren in films noirs ständig Alkohol konsumieren (Whiskey, Cognac, Hochprozentiges), brechen sie mehr als nur unterschwellig den production code, der den Filmemachern dieser Zeit verbot, das Trinken von Alkohol zu zeigen – außer, wenn es für die Handlung und zur Charakterisierung von Figuren notwendig ist.
Dass es sich um Alkohol handelt, ist erkennbar an der Flaschenform (allerdings ohne oder ohne erkennbares/unscharfes Etikett) und an der Art und Weise, wann und wie er getrunken wird (als Akt der Verzweiflung, als Beruhigung).

Alkohol als Zeichen für Geselligkeit
Einerseits steht Alkohol für Geselligkeit, denn es gibt viele Szenen, wo Figuren miteinander am Tisch im Restaurant oder auf der Couch im Wohnzimmer sitzen, reden und trinken, miteinander lachen und diskutieren, Pläne schmieden, miteinander flirten, Geschäfte beschließen, etc.
Es trinken dabei sowohl Männer mit Männern (z.B. „To Have And Have Not“, 1944) als auch Männer mit Frauen (z.B. „Cat People“, 1942) und auch Frauen mit Frauen (z.B. „Mildred Pierce“, 1945).

Alkohol als Mittel zur Betäubung
Andererseits ist Alkohol auch ein Mittel zur Betäubung – von Einsamkeit, Stress und Unsicherheit, was in Szenen deutlich wird, wo Figuren alleine und/oder sichtlich ohne Genuss, sondern nur um der Wirkung willen trinken.

Wer trinkt Alkohol?
Es gibt auch einen deutlichen Unterschied darin, wer Alkohol trinkt – das hängt ganz klar von Geschlecht, Alter und Selbständigkeit ab:

  • Unschuldige“ Personen, so wie junge Frauen und Mädchen trinken eher keinen Alkohol, sondern z.B. Milch („Stranger On The Third Floor“, 1940). Auch der aus der Haft entlassene, von den Kriminellen verfolgte Protagonist von „Kiss Of Death“ (1947), der als liebender Vater und gutherziger Mensch charakterisiert ist, und nur aus sozialem Druck kriminell wurde, trinkt Milch, während er im abgedunkelten Wohnzimmer auf seine Mörder wartet.
  • Scheinbar abgebrühte Privatdetektive, Cops, Journalisten, Kriminelle und vom Leben geprüfte Männer konsumieren aber wie selbstverständlich ständig harte Drinks (z.B. Humphrey Bogart in „Casablanca“, 1942).
  • Selbständige Frauen, die ihr eigenes Unternehmen leiten und ihr eigenes Geld verdienen, können ebenfalls offenbar nur mit der Hilfe des Betäubungsmittels Alkohol mit den Anforderungen ihres Lebens umgehen (bestes Beispiel: „Mildred Pierce“, 1945, aber auch die ständig beschwipste Landlady in „Born To Kill“, 1947).

Alkohol kommt damit eine ähnliche Rolle wie Rauchen zu – der Griff zum Glas und der zur Zigarette sind die beiden am häufigsten eingesetzten Handlungen von Figuren im film noir.

nächstes Kapitel: INSZENIERUNG: Rauchen

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